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Klaus Schlagmann, Jahrgang 1960, arbeitet in eigener Praxis mit katathym-imaginativer Psychotherapie, Verhaltenstherapie, NLP, Hypnose und Psych-Analyse nach Josef Breuer. Seit 1995 erforscht er die Geschichte der Psychoanalyse. 2012 publizierte er die verschollen geglaubten Briefe Sigmund Freuds an den Schriftsteller Wilhelm Jensen. Antike griechische Erzählungen, die in psychologische Theorien eingeflossen sind, betrachtet er unter einem ganz neuen Blickwinkel: das Drama von König Ödipus und – wie hier – den Mythos von Narziss.
Schlagmann, Klaus
Die Narzissmus-Lüge
Über den Missbrauch eines emanzipatorischen Mythos
2021
178 Seiten
Hardcover mit Schutzumschlag
€ 24,90 (D)
ISBN 978-3-8301-1871-8
R.G.Fischer Verlag



Auch als E-Book erhältlich € 14,99



Narziss ist – nach griechischem Mythos – ein schöner Jüngling. Seine Geschichte wird in verschiedenen Varianten erzählt. Der 16-Jährige leidet einerseits am plötzlichen Tod seiner Zwillingsschwester sowie am Verlust ihm gleichfalls ähnlich sehender, geliebter Angehöriger: Vater und Mutter. Das Betrachten seines Spiegelbildes im Wasser verstärkt in ihm diesen Schmerz. Andererseits wird erzählt, dass er an der psychischen und physischen Gewalt leidet, die ihm abgewiesene VerehrerInnen zufügen. Narziss ist also ein Opfer von Schicksal und Bedrängnis.

Doch die psychologische Theorie definiert Narzissmus als Selbstgefälligkeit. Sie erklärt Narziss zum egozentrischen Täter. Damit missversteht sie seit über hundert Jahren die gehaltvolle Fabel. Verwirrung ist vorprogrammiert. Das diffuse Konzept Narzissmus wird gleichermaßen Egomanen, Müttern, Säuglingen, Mobbingopfern und echten Helden der Menschheit übergestülpt.

Und, mehr noch: Mit ihrer – zwangsläufig wirren – Vorstellung von Narzissmus im Kopf dichten internationale renommierte AutorInnen heute allen Ernstes Narziss weitere Verfehlungen an. Seine Trauer sei depressiv. Er, das Stalking-Opfer, sei beziehungsunfähig und schuld am Leid der abgewiesenen StalkerInnen. Ein 2005 in Wikipedia erfundener Fake-Mythos, der Narziss zur Witzfigur herabwürdigt, wird naiv übernommen. »Die Narzissmus-Lüge« entlarvt zwanzig Texte aus zumeist neuerer Zeit, die solchen Unsinn propagieren.